engst.FOTOGRAFIE - Makrofotografie mit einem "Alien"

Die europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) ist deutschlandweit auf dem Vormarsch. Die Fangschrecke breitet sich von Süddeutschland aus. Grund genug, diese Schönheit in Szene zu setzen.

Hallo aus Bernburg!

Seit einigen Jahren breitet sich die Europäische Gottesanbeterin in Deutschland aus. Von Süden kommend, wandert die Art jedes Jahr ein Stückchen weiter nach Norden und ist seit ca. 2007 auch in Sachsen-Anhalt zu finden. Grund genug, dem Tierchen mit der Makrolinse “auf die Pelle” zu rücken und es in Szene zu setzen. Was dabei zu beachten ist und welche Ausrüstung ich empfehle, verrate ich euch in dieser Ausgabe.

Bevor es losgeht

Vor jedem Fotoprojekt sollte eine gewisse Planung stehen. Im Falle von Tier- und Pflanzenfotografie gilt das oberste Gebot, dem Tier oder der Pflanze keinen Schaden zu zufügen, egal ob absichtlich oder unabsichtlich. Genauso wenig darf Tier oder Pflanze in seinem natürlichen Verhalten gestört oder beeinträchtigt werden. Entfernt sich das Tier von euch und der Kamera, dann nehmt es hin und haltet es nicht in Position. Kurzum, hat das Tier keinen Bock auf Fotos, dann müsst ihr damit leben. Vermeidet hektische Bewegungen und passt auf, wohin ihr eure Füße setzt. Nach dem das geklärt ist, geht es an die eigentliche Planung.

Recherche und Archiv

In einem ersten Schritt recherchiere ich den Lebensraum sowie bekannte Fundangaben. Dafür ist Google euer bester Freund. Ich kann euch die Seiten vom NABU sowie vom Umweltamt in Sachsen-Anhalt empfehlen.

Im Falle der Gottesanbeterin sind sonnenbeschienene Rasenflächen einen Blick wert. Ab August/September befinden sich die Tiere in der Paarung und sind dementsprechend aktiv. Oftmals sitzen sie an überständigen Grashalmen und lauern ihrer Beute auf. Ebenfalls könnt ihr im Internet nach vorhandenem Bildmaterial suchen und euch erste Bildideen für eure eigenen Kompositionen holen. Im Prinzip gelten die gleichen Regeln wie bei der Menschenfotografie. Versucht Bilder auf Augenhöhe und in einer “passenden” Umgebung (natürlichem Lebensraum) zu machen.

Der YouTube-Kanal “Zeitweise” hat dazu auch ein passendes Video parat. Schaut es unbedingt mal an.

Welche Ausrüstung benutze ich?

Bei meinen Touren zu den Gottesanbeterinnen bin ich immer mit leichtem Gepäck unterwegs. Im Wesentlichen habe ich 5 Ausrüstungsgegenstände dabei, von denen 3 optional sind. Welche das sind, zeige ich euch jetzt.

Meine Ausrüstung zum Fotografieren von Gottesanbeterinnen besteht aus 1) einer zum Objektiv passenden Gegenlichtblende, 2.) einem Makroobjektiv, hier zu sehen ein Tamron 90mm f2.8, 3.) einem Reflektor für den Aufsteckblitz, 4.) einer DSLM-Kamera, hier zu sehen die Canon EOS R, inkl. Akku und Speicherkarte sowie 5.) dem Aufsteckblitz Canon Speedlite II.

1.) Gegenlichtblende (optional)

Die Gegenlichtblende wird auf das Linsenende des Objektives geschraubt und verhindert das Einfallen von Streulicht und beugt damit unerwünschten Lichteffekten vor.

2.) Makroobjektiv

Ich nutze das Tamron SP AF 90 mm F2.8 Di Macro 1:1 (272EE) für Canon EF-Mount. Für mich ist es wichtig, dass das Objektiv einen Bildstabilisator hat, mit dem ihr auch bei längeren Belichtungszeiten noch scharfe Aufnahmen aus der Hand machen könnt sowie einen Abbildungsmaßstab von 1:1,0 aufweist. Das bedeutet, dass ihr das Motiv in Originalgröße abbilden könnt. Gerade bei Drucken ist das von Vorteil. Des Weiteren sollte das Objektiv eine geringe Naheinstellgrenze, Mindestabstand zum Motiv, haben. Das Tamron liegt bei 30 cm Mindestabstand. Das ist für die meisten Situationen ausreichend, jedoch solltet ihr immer auf das Tier achten. Wenn es sich gestört fühlt, nehmt mehr Abstand ein.

3.) Reflektor für Aufsteckblitz (optional)

Um das Tier nicht direkt anzublitzen, verwende ich einen Reflektor. So kann ich die Lichtachse des Blitzes himmelwärts ausrichten und lenke mittels Reflektor die Lichtstrahlen in einem weichen Bogen nach vorne. So wird das Tier indirekt angeblitzt.

4.) Kamera (mit möglichst hoher Auflösung)

In erster Linie ist es völlig egal, ob ihr mit einer APS-C Kamera oder Vollformatkamera fotografiert. Optimalerweise besitzt die Kamera ausreichend Megapixel um im Nachhinein das Bild möglichst verlustfrei beschneiden zu können. Meiner Erfahrung nach sind 24 MP das Minimum, was der Sensor der Kamera leisten sollte. Treffsicherer Autofokus und hohe Serienbildgeschwindigkeit sind nett aber kein Muss. Ich ziehe den Fokus immer mit manuell und arbeite mit Einzelbildern. Ich nutze eine Canon EOS R mit 30 Megapixel Auflösung.

5.) Aufsteckblitz (optional)

Ob ein Blitz gebraucht wird oder nicht, ist Geschmackssache. Aber diese Entscheidung wirkt sich grundlegend auf eure Bilder aus. Im Folgenden habe euch die Unterschiede zwischen Blitz und ohne Blitz aufgelistet.

Mit Blitz:
  • unabhängig vom Umgebungslicht → nahezu einheitlicher Bildlook über die gesamte Bildstrecke

  • geringere ISO-Werte möglich → weniger Bildrauschen

  • höhere Blendenzahl möglich → mehr Tiefenschärfe

  • kleinere Verschluss-/Belichtungszeiten möglich → weniger verschwommene Bewegungen im Bild

  • mgl. Weise zu harte Kontraste → wirkt u.a. unnatürlich

  • Lichtflecken auf dem Motiv → wenn der Blitz zu stark oder sich zu nah am Motiv befindet, spiegelt sich das Blitzlicht

  • Einarbeitungszeit erforderlich, damit Bilder nicht künstlich aussehen

Achtung: Sollte das Tier aufgrund des Blitzlichtes flüchten oder anderweitig reagieren, so fotografiert ohne Blitz weiter oder gönnt dem Tier seine Ruhe.

ohne Blitz
  • Bild wirkt “weicher”, da die zu hohen Kontraste fehlen

  • ISO-Zahlen deutlich höher → Bildrauschen erhöht

  • Belichtungszeiten länger → Bewegungen können verschwimmen

  • Blendenzahl kleiner → Tiefenschärfe geringer. Gerade bei Gottesanbeterinnen ein Problem

  • kein einheitlicher Bildlook → ihr seid von dem Umgebungslicht abhängig. Ändert sich dieses, so wechselt euch euer Bildlook. Stichwort: Sonne-Wolken-Mix

So sieht meine einsatzbereite Kamera aus.

Kommen endlich mal Bilder?

ja, kommen sie. Und zwar jetzt. Ich zeige euch die Bilder und untertitele sie mit den jeweiligen Einstellungen. Alle Bilder wurden mit Blitzlicht aufgenommen.

Verschlusszeit: 1/800 Sek. | Blende 11 | ISO 200

Verschlusszeit: 1/1000 Sek. | Blende 10 | ISO 300

Verschlusszeit: 1/1250 Sek. | Blende 11 | ISO 400

Verschlusszeit: 1/600 Sek. | Blende 11 | ISO 100

Verschlusszeit: 1/1000 Sek. | Blende 11 | ISO 200 (Originalbild)

Verschlusszeit: 1/1000 Sek. | Blende 11 | ISO 200 (Ausschnittsvergrößerung, viele Megapixel sind von Vorteil)

Verschlusszeit: 1/1000 Sek. | Blende 11 | ISO 200 (Originalbild)

Bei diesem Motiv spielt der Blitz seine Stärke aus, dass ich eine deutlich kleinere Blende (kleine Blendenzahl = offene Blende, große Blendenzahl = geschlossene Blende) nutzen kann. Selbst mit Blende 11 und höher reicht die Tiefenschärfe nicht aus, um ein Tier wie die Gottesanbeterin komplett scharf zu bekommen. Dafür ist die proportionale Erstreckung zu groß.

Wie geht’s weiter?

Die Fotozeit für Mantis religiosa ist noch in vollem Gange und ich werde sicherlich noch den einen oder anderen Fototrip unternehmen. Ich höre oft, dass diese Tierchen wie Aliens aussehen und irgendwie nicht in unsere Welt passen. Durch die Makrolinse betrachtet, scheint das zu stimmen. Ich erwarte da immer, dass sie plötzlich die Makro-Fotografen verschlingt und dann ihr Mutterschiff erscheint und sie abschwirrt. Dennoch empfinde ich diese Tiere als schön und überaus interessant. Mich erstaunt es noch immer, wie spielend leicht sich ein Tier eine vorbeischwirrende Fliege gefangen hat. Beeindruckend.

Und ihr? Habt ihr schon einmal ein Exemplar der Europäischen Gottesanbeterin gesehen und womöglich fotografiert? Lasst es mich wissen.

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In diesem Sinne und Allzeit gutes Licht,